Liebe Mitglieder,
in den letzten Wochen haben sich die Meldungen in der Geschäftsstelle gehäuft, dass in den Kommunen in Baden-Württemberg die Rufe nach Vergnügungssteuererhöhungen hörbar werden. Klassischerweise wird das Thema leider im vierten Quartal eines Jahres – wenn die Haushalte fürs kommende Jahr gemacht werden – immer besonders brisant.
Auch wenn wir als Vorstand stets unser Bestes geben, Sie bei Gesprächen zu begleiten oder im Vorfeld zu unterstützen, ist es uns nicht möglich die Fülle der Gespräche abzudecken. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, Ihnen einen Katalog an Argumenten für ein Gespräch vor Ort an die Hand zu geben. Ungeachtet der hier genannten Argumente können Sie als Mitglied den stets aktuellen Leitfaden des Bundesverbandes nutzen. Sie finden ihn nochmals hier:
BAKit Leitfaden Vgst. >>>
Ebenfalls anbei erhalten Sie eine Musterkalkulationen für eine Spielhalle mit zwölf Geldspielgeräten. Diese Kalkulation dient dazu, Ihrem Gesprächspartner anhand echter Zahlen deutlich aufzuzeigen, wie die Kostenstruktur einer Spielhalle aussieht und vor allem wie hoch der Anteil der Vergnügungssteuer ist. Kalkuliert wird in der Mustertabelle mit den Vergnügungssteuersätzen (jeweils brutto und netto) 15, 20 und 25 Prozent. Die aktuelle PAU-Erhebung hat einen bundesdurchschnittlichen Bruttoerlös von 2.851 € pro Monat pro Geldspielgerät ermittelt. Da die Umsätze in Baden-Württemberg traditionell etwas über dem Bundesdurchschnitt liegen, liegt der Musterkalkulation ein Bruttoerlös von 3.500 € pro Monat pro Geldspielgerät zugrunde.
Bei Betrachtung der anhängenden Tabelle stellt man recht schnell fest, dass bei einer Spielhalle mit mittlerem Umsatz der absolute Betrag der Vergnügungssteuer regelmäßig zwischen dem 2–5-fachen des Ergebnisses der Spielhalle vor Overhead, Kosten und Unternehmenssteuern liegt. Diese unverhältnismäßig hohe Besteuerung nimmt dem Unternehmer jegliche Luft, um am Markt und betrieblich agieren zu können.
Wichtige Argumente für Ihr Gespräch mit den Entscheidern vor Ort sind aus unserer Sicht aktuell:
Konsequenz Betriebsschließung |Steuermindereinnahmen
Eine massive Anhebung der Vergnügungssteuer wird Betriebsschließungen zur Folge haben mit der für die jeweilige Gemeinde nachteiligen Konsequenz, dass Vergnügungssteuereinnahmen aus legalen Betrieben gänzlich entfallen.
Eine Kommune, die ursprünglich mit Steuermehreinnahmen – meist zum Ausgleich des Haushaltes – kalkuliert hat, erreicht durch einzelne Betriebsschließungen im Gegenteil Steuermindereinnahmen. Erwähnt werden muss hierbei auch, dass neben den Vergnügungssteuereinnahmen ebenfalls die Arbeitsplätze wegfallen.
Spielpreis | keine Abwälzbarkeit möglich
Man hört immer wieder als Empfehlung von Gemeinderäten, dass wir doch den Preis unseres Produktes „Spiel“ anheben sollen. Wie Sie wissen, ist dies nicht möglich, da der Spielpreis vom Gesetzgeber in der Spielverordnung definiert und vorgegeben wird. Ungeachtet dessen ist unser Spielpreis seit 1994 unverändert. Somit hat unsere Branche seit Anfang der Neunzigerjahre weder eine Preisanpassung noch eine Art von Inflationsausgleich erlebt. Anders als bspw. Bäckereien, Handwerksbetriebe oder Gastronomiebetriebe ist es uns nicht möglich, Erhöhungen der Vergnügungssteuer kalkulatorisch abzuwälzen.
Betriebskosten | keine Abwälzbarkeit möglich
Auch wir als Automatenunternehmer wurden in den letzten Jahren mit massiven Kostensteigerungen in allen Bereichen konfrontiert. Gewerbliche Mieten unterliegen in der Regel einer Indexierung, welche an den Verbraucherpreis gekoppelt ist. Die enormen Inflationsraten der letzten Jahre haben darüber hinaus dazu geführt, dass sämtliche gewerbliche Mietverträge quasi explodiert sind.
Die Entwicklung der Energiekosten haben wir alle sowohl im privaten Bereich als auch im gewerblichen Bereich erlebt und hinnehmen müssen.
Die Steigerung der Mindestlöhne ist ebenfalls ein großer Posten, der nicht problemlos vom Unternehmen getragen werden kann. Hinzu kommt, dass es derzeit generell schwierig ist, Arbeitskräfte zu finden – für den Mindestlohn arbeiten in Baden-Württemberg die wenigsten. Rechnet man im Schnitt mit 15-20 Prozent über dem Mindestlohn, zzgl. der gesetzlichen Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschläge sowie Lohn-Nebenkosten, Krankheit und Urlaub kommt man auf einen Fixkostenblock von rund 12.500 € Personalkosten pro Monat.
Auch diese stetig steigenden Kosten können wir als Automatenbranche aufgrund des festgelegten Spielpreises, anders als andere Branchen, nicht auf unsere Gäste abwälzen.
Lenkungsfunktion von Vergnügungssteuer | Beschränkung des Marktes
In den letzten Jahrzehnten wurde der Vergnügungssteuer immer auch eine Lenkungsfunktion zugesprochen. Mit der Einführung des Glücksspielstaatsvertrags und des Landesglücksspielgesetzes in Baden-Württemberg ist diese Lenkungsfunktion jedoch hinfällig geworden. Die Begrenzung des legalen Spielhallenmarktes bedarf heute keiner Steuer mehr, diese Funktion übernimmt § 25 GlüStV 2021 (Beschränkung von Spielhallen; Verbot von Mehrfachkonzessionen) sowie in der Ausführung das Landesglücksspielgesetz Baden-Württemberg. Allein die vorgegebene Maximalgröße einer Spielhalle von acht beziehungsweise zwölf Geräten (Verbot von Mehrfachkonzessionen) sorgte seit 2017 für einen drastischen Abbau der aufstellten Geräte im Land. Des Weiteren sorgt der gesetzliche Mindestabstand von 500 m Luftlinie zwischen Spielhallen sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen für eine Reduzierung der Anzahl an Spielhallenstandorten im gesamten Land. In Stuttgart führt die Umsetzung des Landesglücksspielgesetzes bspw. am Ende zu einer Reduzierung von knapp 80 Prozent des legalen Marktes. Landesweit muss man davon ausgehen, dass nach Abschluss der Verfahren etwa 75-80 Prozent der Standorte geschlossen sein werden. Hinzu kommt die Reduzierung der Geräteanzahl in der Gastronomie durch die Abrüstung des dritten Gerätes. Bundesweit wurde somit aufgrund der Änderung der Spielverordnung die Anzahl der Geldspielgeräte in der Gastronomie im Jahr 2019 um ein Drittel reduziert.
Sicherung des Kanalisierungsauftrag
Die Schließung legaler Spielhallen aufgrund einer nicht mehr zu tragenden Steuerlast wird – neben den haushalterischen Auswirkungen für die Gemeinde – zugleich dazu führen, dass der Kanalisierungsauftrag im Gebiet der Gemeinde nicht mehr oder nur noch unzureichend erfüllt werden kann.
Für den Verbraucherschutz hat die Schließung von legalen Spielhallen die negative Konsequenz, dass Jugend- und Spielerschutzmaßnahmen gänzlich wegfallen, da diese im illegalen Markt nicht vorhanden sind. Konkret bedeutet dies für das Spiel im illegalen Markt:
- Keine Jugendschutzkontrolle
- Kein Abgleich mit dem bundesweiten spielformübergreifenden Sperrsystem (OASIS)
- Spielteilnahme für minderjährige oder gesperrte Spieler und Spielerinnen
- Keine Aufklärungsmaterialien zum Thema problematischen und pathologischen Spielverhalten
- Kein Fachpersonal, welches im Umgang mit problematischen und pathologischen Spielverhalten geschult ist.
- Keine Übermittlung an das staatliche Hilfesystem
- Keine gemäß Spielverordnung regulierten Spielgeräte – somit keine festgelegten Verlust-, Einsatz- und Gewinngrenzen
Bekämpfung des Illegalen Marktes
Die Reduzierung der Verfügbarkeit der legalen Spielautomaten in Gaststätten und Spielhallen gepaart mit der Reduzierung der Attraktivität der Geräte, führt dazu, dass sich illegale Spielautomaten – sogenannte FUNGAMES – wieder in Deutschland verbreiten und die Spielgäste ob fehlendem legalen Angebot in den illegalen Markt ausweichen.
Das illegale Spiel ist bereits nachweislich massiv angewachsen und wird – sofern weitere Betriebe schließen müssen – weiter anwachsen. Laut dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert beträgt der Anteil der illegalen Geräte in Deutschland mittlerweile mindestens ein Drittel des Marktes. Hinter vorgehaltene Hand erfahren wir aus Behördenkreisen, dass z.B. in Stuttgart der Markt der illegalen Geräte inzwischen größer ist als der Markt der legalen Geräte. Auch die 2023 veröffentlichte Studie von Prof. Dr. Haucap resümiert, dass die Reduzierung des legalen Marktes – sowie die Einschränkung der Attraktivität des legalen Spiels –das Wachstum des illegalen Marktes bedingt. Das Ziel, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung zu kanalisieren sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, kann in den letzten Jahren zunehmend schlechter erreicht werden, belegt die Studie von Haucap eindeutig.
Quelle: D. Fritz/ Prof. Dr. J. Haucap/ Dr. S. Thorwarth: Entwicklung der Kanalisierungsquote des gewerblichen Automatenspiels in Deutschland. März 2023.
Es muss deutlich gemacht werden, dass das illegale Spiel ohne staatliche Kontrolle im ungeschützten Raum und insbesondere auch ohne staatliche Steuereinnahmen stattfindet.
Eine Anhebung des Vergnügungssteuersatzes würde also nicht nur zu einem Wegbrechen von Steuereinnahmen in der gesamten Gemeinde führen, sondern darüber hinaus eine Stärkung des illegalen Spiels bedeuten. Eine Entwicklung, die nicht im Sinne der Kommunalpolitik sein kann.
FAZIT
Warum konnten wir bis vor der Covid-19-Pandemie die hohen Vergnügungssteuer-Sätze bezahlen und heute nun nicht mehr?
Die Gemengelage aus den verschlechterten rechtlichen Rahmenbedingungen durch den GlüStV 2021, den verschärften Einsatz- und Verlustgrenzen durch die Novellierung der Spielverordnung (durch die Reduzierung des Maximaleinsatzes pro Stunde von 80 auf 60 Euro sind auch die Umsätze dementsprechend rückläufig), den wirtschaftlichen Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie, den gestiegenen Betriebskosten, gestiegenen Löhnen und des immer stärker werdenden illegalen Angebotes, sowie der per Gesetz verkleinerten Standorte, hat die Ertragskraft unserer Standorte massiv geschwächt. Viele Standorte wurden – und werden auch zukünftig – im Land geschlossen. Und das nicht aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen oder Vorgaben, sondern einzig aufgrund von Nicht-Wirtschaftlichkeit.
Schauen Kommunen, Länder und Bund dieser Entwicklung weiter zu oder forcieren sie unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes, wird das Gegenteil erreicht und das stationäre Spiel dem illegalen Markt überlassen – ohne Steuereinnahmen, ohne Kontrollmöglichkeit, ohne Spieler- und Jugendschutz, sondern grenzenlos!
Liebe Grüße
Ihr Dirk Fischer